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Me is boring

Seit zwei Wochen fällt mir dieser Satz immer wieder ein. Er stammt von einem meiner Kinder und heißt übersetzt (man kommt nicht ohne weiteres darauf): Mir ist langweilig. Vor Jahren schuf das Kind diesen Satz unter Nichtbeachtung aller Regeln der englischen Sprache, und doch fand er Eingang in den Familienjargon und wird noch heute verwendet. Selbst vom geliebten Briten.

Ich habe mich seit meiner Kindheit nicht mehr gelangweilt, doch seit Kurzem verfüge ich über viel Zeit. Tatsächlich überlege ich manchmal, was ich als Nächstes tun könnte. Es gibt nichts Wichtiges zu erledigen, nachmittagelang, ebensogut könnte ich auch nichts tun, was dem Sachverhalt der Langeweile nahe kommt. Aber soweit ist es noch nicht, es ist nur ungewohnt, tagsüber ein Buch zu lesen oder einfach das Fahrrad herauszuholen und zu erkunden, ob sich der Frühling schon irgendwo sehen lässt.

Wie kommt das? Ich habe eine Arbeitsstelle, aber da geh ich ja nur vormittags hin. Die Nachmittage und oft auch die Abende oder Wochenenden verbrachte ich bisher als freiberufliche Übersetzerin. Und nun hatte ich endlich den Mut, meinen größten Kunden aufzugeben. Ich stehe nicht mehr zur Verfügung, sagte ich. Übrig sind ein paar kleinere Auftraggeber und deshalb habe ich Zeit. So viel wie seit Jahren nicht und wenn, dann war es aus keinem guten Grund. Aber jetzt? Ich bin gesund, ich habe Arbeit, und ich habe Zeit.

Die Einkommenssituation verändert sich natürlich, aber ich lebe nicht allein, und Materielles bedeutet mir nicht viel. Wozu also der Aufwand? Ich geh nachmittags lieber in die Stadt. Bummeln. In die Bücherei. Vielleicht rufe ich eine Freundin an und verabrede mich, wenn sich überhaupt noch eine an mich erinnert. Nächste Woche habe ich einen Friseurtermin und es macht mich nicht nervös, denn: Ich werde Zeit haben.

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Die sich den Wolf managt

Der Inhaber einer Firma schielt vor allem auf eins – aufs Geld. Schließlich hat alles, was im Unternehmen geschieht oder auch nicht, etwas mit der Zahl auf seinem Bankkonto zu tun.  Der Angestellte dagegen will seinen Job nicht verlieren. Er schuftet deshalb wie ein Pferd, und jeder meint, das Richtige im Auge zu haben. Dennoch können Chef- Entscheidungen dazu führen, dass Mitarbeiter im Innern kündigen, und Mitarbeiter können sich wie wild durch ihr Pensum wühlen , aber es fällt kein Gold ins Firmensäckel. In beiden Fällen ging der Blick auf das Ganze verloren, und ich verlor ihn während der letzten Wochen.

Da wuchsen der Zeitdruck und die Arbeitsberge ins Gewaltige, und ich verbiss mich in deren Abwicklung. Dass die Anforderungen eines meiner Kunden immer komplexer, ihre Bearbeitung immer aufwendiger wurde, dass etwas nicht stimmte – das schmerzte nur im Bauch. Im Kopf jagten sich die enorme Orderflut, schwierige Abläufe und Techniken, es dennoch zu schaffen. Dazwischen verbarrikadierte eine Wand aus Verkrampfungen jeden Austausch.

Dann kam der Chef zurück von einer Reise. Ich hatte Angst vor seinen Attacken und dass er merken würde, was mir selbst nicht klar war. Doch er – hörte mir zu. Fragte nach, erfasste das Wichtige und statuierte: Die Projekte dieses Kunden rentieren sich nicht. Er wird deshalb die Preise neu verhandeln und erst danach sind weitere Aufträge anzunehmen. Kollegen haben mich dann zu unterstützen. Was mich aber umwarf und was nie zuvor geschehen war: Er lächelte wie eine Mutter und sagte: „Beruhige dich. Der Schlamassel hat jetzt ein Ende.“ Es war, als legte sich eine weiche Decke um meine zitternden Nerven, und dieser Moment prägte sich tief ein.