Schlagwort-Archive: Überleben

C‘est la vie

Von drei geschlüpften Storchenjungen ist allem Anschein nach nur noch eines da. Manchmal sehe ich es – größer geworden und inzwischen weiß gefiedert – über dem Zweiggeflecht des Horsts in die Welt hinausblicken. Noch immer wird es fortwährend bewacht von seinen Eltern. Ob oben auf dem Strommast noch jemand an die Geschwister denkt? Wohl nicht. Nur ich erinnere mich an sie, eine Weile lang, bis auch ich sie vergesse. So ist das Leben eben.

Man sieht schon das Köpfchen!

Genau gesagt drei Köpfchen sind es geworden. Wie kleine U-Boot-Periskope tauchen sie auf und besichtigen die Welt. Die besteht vorerst aus einer Dorfstraße, ein paar Häuserreihen, Wiesen und am heutigen Tag aus einem leuchtend blauen Himmel.

Über den dunkel-flaumigen Zwerglein ragt mächtig und weiß die Storchenmutter. Jetzt biegt sie den Hals weit zurück, bis der Kopf am Rücken ankommt und ihr Schnabel in die Luft zeigt. Unter lautem Geklapper richtet sie sich elegant wieder auf, hält einen Moment inne und stupst dann eins der Federköpfchen, die vor ihr herumwackeln.

Nur wenn der Sommer feucht bleibt, wenn Frösche, Schnecken und Würmer sich nicht ins Erdreich vergraben – nur dann werden die hungrigen Hälschen gestopft. Bei Futternot stoßen die Eltern ihren Nachwuchs aus dem Nest. Die Küken zählt man erst im Herbst.

Nie den Kopf hängen lassen!

Im August 2009 wurde diese Amaryllis zum letzten Mal gegossen. Doch Madame will nicht ruhen. Sie gibt sich störrisch und reckt immer noch zwei Blätter in die Höhe. Auch der Umzug ins kalte Treppenhaus vor ein paar Wochen brachte keine Veränderung, wie schafft sie das? Wie kann sie nach neun Monaten ohne Wasser immer noch stramm stehen?

Überlebt: Sechs Monate ohne Wasser!

Wozu ein Organismus in der Lage ist, verblüfft mitunter selbst Wissenschaftler, und mich sowieso. Wie ist es möglich, nach einem halben Jahr ohne jede Flüssigkeit  immer noch trotzig aufrecht dazustehen?

Es geht – wieder einmal – um meine Amaryllis. Eine Freundin schenkte sie mir vor einem Jahr, nun möchte ich sie endlich in einen neuen Topf betten, um die Pracht neuer Blüten voranzutreiben. Allerdings: Vor dem Auspflanzen kommt das Einziehen der Blätter, der Schlaf vor der Wiedergeburt. Die Zwiebel soll Kraft sammeln, und damit sie das weiß, hört man auf zu gießen.

Seit August letzten Jahres hat meine Amaryllis also kein Wasser bekommen. Und nun seht euch mal das an:

Ich bin ratlos. Wie soll ich sie zum Blühen bringen, wenn diese eigenwillige Lady es vorzieht, sich nicht zu entblättern? Grundsätzlich ist daran nichts Falsches, als Amaryllis würde ich diese Entscheidung  jedoch überdenken. Zu erlauchtem Festtagsschmuck kommt sie so jedenfalls nicht!

Im Internet fand ich, dass die Pflanze im Herbst kühler und dunkler stehen soll. Vielleicht war das der Fehler. Verliebt ließ ich sie nämlich bei mir, am Fenster vor meinem Schreibtisch. Ob sie auf Wasser verzichten kann, solange ihr warm genug ist? Sinn macht das nicht. Jedenfalls habe ich sie nun ins Treppenhaus verlegt, das arme Ding. So allein da draußen, in der Kälte…

Hat jemand Amaryllis-Erfahrung?

Ich muss darauf zurück kommen, auch wenn es vielleicht nicht jeden interessiert. Meine Amaryllis! Ich habe gelesen, sie soll ab August nicht mehr gegossen werden, damit sie zur Ruhe kommt. Hab ich gemacht. Wochen später sanken die Blätter auf halbe Höhe (innerhalb einer halben Stunde!) und seither beginnt eine Hälfte zu vergilben. Die andere steht grün und verhältnismäßig aufrecht im Topf, seit über drei Monaten hat sie kein Wasser bekommen. Wie schafft sie das?

Jedenfalls soll sie im Dezember neu ausgepflanzt werden, so stehts in der Anleitung. Schneide ich die Blätter nun ab und topfe die Zwiebel um? Der Lebensgeist, der noch immer aus ihr dringt, lässt mich zögern. Die Pflanze gibt nicht auf, sie mag nicht ruhen. Wie kann ich da mit der Schere kommen und diesem Wollen ein Ende bereiten! Freilich trotzt nur die eine Hälfte, die andere hat genug. Dann schneide ich eben die andere Hälfte ab und lass die eine stehn, und meine Amaryllis wird später ausgepflanzt.

Oder? Kennt sich jemand aus?

Die Amaryllis

Meine Amaryllis bot ein interessantes Schauspiel heute. Das ganze Jahr über freute ich mich an der Pflanze, die auch nach der Blüte mit ihren langen, dunkelgrün glänzenden Blättern das Fenster schmückte. Da die Zwiebel aber im Winter neu ausgepflanzt wird, soll sie im Herbst zur Ruhe kommen, also hörte ich im August auf zu gießen. Die Pflanze hingegen ließ sich nicht beeindrucken und blieb bis heute unverändert. Stolz präsentiert sie sich Tag für Tag in ihrer ganzen Pracht. Auch Wochen nach dem letzten Tropfen Wasser steht sie aufrecht im Topf und denkt nicht daran, sich die Lebenslust verderben zu lassen. Amaryllis müsste man sein, dachte ich.

Als ich heute Nachmittag das Zimmer verließ, war sie wie immer ein dekorativer Blickfang in ihrer Ecke. Eine Stunde später aber kam ich zurück, und da – hingen die Blätter nur mehr auf halber Höhe! Einen spektakulären Abschied legt sie da hin, meine Schöne, bevor sie uns in ein paar Wochen hoffentlich wieder mit ihren lachsrosa Blüten verzaubern wird.

Warum fällt mir jetzt ein, dass ich seit dem Frühjahr keinen Urlaub hatte? In meinem nächsten Leben werd ich Amaryllis.