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Vertrauenssache

Neulich in meinem Arbeitszimmer: Ein Computerprofi versucht, meinen PC zu reparieren, und das erweist sich als aufwendiger als gedacht. Der Mann muss den Rechner für zwei Tage mitnehmen. Hektisch suche ich in den Tiefen der Verzeichnisse nach privaten Dateien, verschiebe sie auf ein externes Laufwerk und hoffe, dass ich nichts übersehen habe. Sicher bin ich mir nicht. Mit Knoten im Magen übergebe ich schließlich das Gerät und muss am nächsten Tag gar noch mein Passwort preisgeben. Beim Kopieren meiner Daten auf die neue SSD sei das extra dafür angelegte Admin-Account verschwunden, sagt der Mann.

Als ich den Computer zurückerhalte, arbeitet er wieder wie der Blitz und alle Programme funktionieren. Ich bin aus dem Häuschen und widerstehe mit Mühe dem Drang, diesem Heilbringer um den Hals zu fallen und ihn abzuküssen. Nur beim Klicken durch die Ordner fühlt es sich merkwürdig an. Als sei jemand hiergewesen. Als wäre Dateien angegrapscht worden. Es ist, als hätte hier etwas seine Unschuld verloren.

Unser Leben befindet sich bis in die kleinsten Details auf einer drehenden Scheibe. Den Rechner herzugeben ist wie einem Fremden den Wohnungsschlüssel in die Hand zu drücken, weil er nach unserer überstürzten Abreise die Blumen gießen soll. Man hofft, dass er Tabuzonen wie Passwortlisten, persönliche Aufzeichnungen und private Bilder respektiert. Aber könnte man selbst der Versuchung widerstehen?

Ins Ungewisse

Mit all dem Metall im Körper hätte der Flughafendetektor Funken sprühen müssen. Aber mein Sohn ging durchs Tor und es kam kein Piep. In Ruhe steckte er seine Geldbörse wieder ein, die in einer Wanne zusammen mit anderem Zeug durchleuchtet worden war. Er nahm seine Sachen wieder an sich, schnallte den Gürtel um und schaute zu uns. Ich streckte den Daumen nach oben und er winkte scheu, lud seinen Rucksack über die Schulter und verschwand. Na Bravo, dachte ich. Wenn ein Terrorist erfährt, dass die Detektoren an diesem Flughafen heute falsch oder gar nicht eingestellt sind, kann er mit einem Gewehr an Bord gelangen.

Die Maschine wurde dann doch nicht entführt, Gott sei Dank. Knapp eineinhalb Stunden später landete sie in London und der Junge schaffte es mit Taxi und Zug nach Brighton, wo er die nächsten drei Monate leben wird. Dieses Abenteuer war lange sein Traum. Er war ausgelöscht worden vor einem Jahr, als dieser Audi in den Alpha fuhr, in dem mein Sohn als Beifahrer saß. Danach konnte er sich monatelang nicht einmal erinnern, einen Traum je gehabt zu haben. Wichtig war da nur, dass er lebte. Dass die Hirnblutungen abheilten und zahllose Nägel und Platten ihn so zusammenhielten, dass er eines Tages aus dem Rollstuhl wieder aufstehen konnte. Aber irgendwann, als Operationen und Rehabilitation hinter ihm lagen, kam er zurück: Der Wunsch, Neues kennen zu lernen, ein anderes Land, England. Da fing er an zu planen.

Wir telefonierten heute kurz mit der Familie, in der er untergebracht sein wird während des Sprachkurses. Es beruhigt mich zu wissen, dass diese Leute wirklich existieren und er in Sicherheit ist. Ich weiß, es klingt blöd, der Junge ist 21 und er findet sich zurecht. Auch seine Geschwister haben Auslandsaufenthalte hinter sich und in Gefahr ist man zu Hause sowieso nicht weniger. Trotzdem. Ihn gehen zu lassen ins Ungewisse, war schwer. Ich habe das Vertrauen nicht mehr, dass immer alles gut geht. Manchmal geht es auch schief, wie wir jetzt wissen,  und ich  kann ich nur beten, ganz fest, dass keinem der Kinder je wieder etwas zustoßen wird.

Es kommt, wie es kommt

Was möglich war im Rahmen der Möglichkeiten, hat man getan. Reicht das nicht aus, ist man durch die falsche Tür gegangen und die richtige wird noch aufgehn. Vorerst aber gilt: Vertrauen haben und laufen lassen. Genug der Anstrengung, genug der Bauchschmerzen. Das sagte ich einem Jurastudenten aus der Familie,  seit letzter Woche schreibt er sein Staatsexamen. An alle Leser die Bitte: Diese Woche Daumen drücken. Das kann mal nicht schaden, der Rest wird sich finden.

Stufen

Ich lese gerade ein Buch, das von der Zeit um die Jahrhundertwende in Russland erzählt. Ein unbedeutender Trinker stirbt bei einem Unfall und seine Witwe richtet nach der Beerdigung ein Essen aus. Die Familie sowie alle Anwesenden sind bitterarm und es wird minutiös geschildert, wie die zerlumpte kleine Gesellschaft sich im Lauf des Abends immer mehr zankt, getrieben von Missgunst, Imponiergehabe, Intrigen und Scheinheiligkeit. Als ein hochstehender Herr dazu kommt und die Tochter der Witwe vor der ganzen Versammlung des Diebstahls bezichtigt, begaffen die Gäste diese Auseinandersetzung wie ein Theaterstück zur Unterhaltung. Niemand versucht, dem Mädchen und seiner Mutter beizustehen. Die Trauerfeier endet mit einem Tumult.

Betroffen darüber, wie wenig Pietät und Respekt diese Leute besaßen, folgerte ich: So wird man ohne Bildung und Auskommen. Ein gemeines Volk ohne Werte, zum Glück habe ich mit solchen Auswüchsen nichts zu tun. Doch dann fiel mir ein, wie in manchen Firmen miteinander umgegangen wird und ich erkannte, dass es kein Zeichen äußerer Armut ist, wenn Menschen auf würdelose Niveaus sinken. Die Armut ist geistiger Natur. Diese Leute haben nicht begriffen, dass andere ihre armseligen Hätte-Gern- und Wäre-Gern-Rollen durchschauen. Stattdessen wird geprahlt, vertuscht, unterschlagen, gehetzt, und eifrig nach Schuldigen gesucht für den Druck, unter dem man selbst steht.

Sich so annehmen, wie man ist im Vertrauen, gut genug zu sein, sich aber auch irren zu können; Talent und Wissen einbringen, aber auch bereit sein zu lernen von andern; die eigene Person nicht über alles und alle setzen, über sich selbst lachen können – das ist Größe. Würden diese Leute doch sehen, wie viel sie besitzen und was sie erreicht haben. Würden sie ihren Kollegen und Mitarbeitern doch lassen, was diese besitzen und erreicht haben. Aufhören mit dem Geklüngel. Wie schön wäre das.

Die Rettung

Es ist Hochwasser, und ein Mann kann sich gerade noch vor den Fluten retten, indem er auf das Dach seines Hauses klettert. Von dort sieht er, wie der Wasserspiegel weiter steigt. Er beginnt zu beten: „Herr, bitte hilf mir, rette mich vor dem Hochwasser!“

Ein kleines Ruderboot paddelt vorbei und jemand ruft ihm zu: „Steig ein, ich hab noch Platz!“ Der Mann antwortet, „Gott wird mir helfen, gib diesen Platz einem andern.“ Ein weiteres Boot erscheint und will ihn mitnehmen, aber auch diesmal beruft sich der Mann auf die Hilfe Gottes und bleibt auf dem Dach seines Hauses. Das dritte Boot, das vorbei rudert, weist er ebenfalls ab im festen Vertrauen, dass Gott ihm helfe. Schließlich erreicht das Wasser den Mann und er ertrinkt.

Klagend steht er nun vor Gott: „Herr, wo warst du? Warum hast du mich nicht gerettet?“ – „Nun“, antwortet Gott, „ich habe dir drei Boote geschickt. Warum bist du nicht eingestiegen?“

An alle Selbstzweifler

Es war einmal eine alte chinesische Frau. Die hatte zwei große Schüsseln, die an den Enden einer Stange hingen, die sie über den Schultern trug. Eine der Schüsseln hatte jedoch einen Sprung, und am Ende der Wanderung vom Fluss zum Haus war sie stets nur noch halb voll mit Wasser. Die andere Schüssel war makellos, so dass das Wasser darinnen blieb und die alte Frau brachte also jeden Tag anderthalb Schüsseln Wasser nach Hause. Die makellose Schüssel war stolz auf ihr Verdienst, die mit dem Sprung aber war betrübt, weil sie nur die Hälfte dessen verrichten konnte, wofür sie gemacht war.

Nach zwei Jahren, die der Schüssel mit dem Sprung wie ein endloses Versagen erschienen, sagte sie zu der alten Frau: “Ich schäme mich so, weil auf dem ganzen Weg zu deinem Haus Wasser aus mir heraus läuft.” Die alte Frau lächelte. “Ist dir nicht aufgefallen, dass auf deiner Seite des Weges Blumen blühen, auf der Seite der anderen Schüssel aber nicht? Ich habe auf deiner Seite Blumen gesät, weil ich das heraus tropfende Wasser bemerkte. Nun gießt du sie jeden Tag, und seit zwei Jahren schmücke ich mein Haus mit diesen Blumen. Wärst du nicht so, wie du bist, würde diese Schönheit mein Heim nicht beehren.”

gefunden bei: http://petraschuseil.wordpress.com