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Märzvögel

Die Krähen sind zurück.
Nicht dass sie fort waren,
aber ich hatte sie nicht mehr gehört.
Nicht dass sie verstummt waren,
aber die Fenster blieben zu.
Heute lasse ich viel Luft herein
und Sonne, und höre ein raues Krächzen.
Als ich nach draußen seh, flattern
fünf schwarze Vögel über die Dächer
der Reihenhäuser gegenüber.
Sie unterhalten sich aufgeregt,
als wäre etwas passiert.
Stimmt ja auch.
Es ist der erste Frühlingstag.

Neigungen

Um uralte Fehleinschätzungen nachhaltig auszuräumen, sind Beweismittel dienlich, die den Sachverhalt von einer immer wieder anderen Seite beleuchten. Tatsächlich ist das Indiz, von dem ich hier spreche, schon eine Weile bekannt, aber doch nicht jedem. Es geht um zwei Störche. Irgendwo in den anliegenden Wiesen hier bewohnen sie ihr Nest.  Identifiziert, vermessen und registriert sind sie den Dorfbewohnern seit Jahren bekannt. Deshalb weiß man, dass auch in diesem Jahr keine Jungen zu erwarten sind. Es gab ja nie welche. Mit Impotenz hat das nichts zu tun und auch nicht mit Unfruchtbarkeit, die Vögel sind kerngesund. Der Grund für die Kinderlosigkeit ist etwas anderes: zwei Männchen turteln dort miteinander. Sie sind schwul. Untersuchungen haben längst entdeckt, dass gleichgeschlechtliche Paare auch im Tierreich vorkommen. Wir können also eine angeborene, natürliche Orientierung daraus ableiten.

Warum bewohnen die Jungs aber dasselbe Nest und nicht jeder ein eigenes, wenn kein Nachwuchs aufzuziehen ist? Vielleicht findet die Wissenschaft eines Tages heraus, dass es bei Tieren – egal welcher Neigung – auch Zuneigung gibt.

Wenn ich zum Bürofester rausschaue, sehe ich diese beiden. Heteros. Die beiden Schwulen leben nicht weit von hier.

Ländergrenzen? Nicht dass ich wüsste, sagte der Storch.

Sie sind weg. Seit über einer Woche habe ich die beiden Störche im Nest auf der anderen Straßenseite nicht mehr gesehn. Vielleicht sammeln sie sich irgendwo, wahrscheinlicher sind sie schon auf dem Weg, als ungeordneter Schwarm am Himmel. Das würde ich gerne einmal sehn. Wie kommen sie wohl über die Alpen? Als Segelflieger schaffen sie angeblich bis zu 500 km am Tag, dann wären sie längst in Afrika. Oder haben sie Pausen eingelegt? Ein paar Tage Italien vielleicht?  Schön, einfach wegfliegen zu können.

Familienidylle

In der Nähe der Firma beobachte ich manchmal drei Störche auf einer Wiese. Es sind „unsere“ Störche, ihr Nest befindet sich neben dem Gebäude, in dem ich arbeite. Das Junge ist von den Eltern nicht mehr zu unterscheiden, so groß ist es geworden. Die Familie bleibt noch zusammen und stakst auf immer demselben Flecken herum, weiße Vögel im nassen Gras. Und in der Nacht? Verbringen sie sie zu dritt im Nest? Passen die da alle noch rein?

Gestern hat eine Kollegin ihr erstes Baby bekommen. Eine weitere ist schwanger. Die dritte wurde vor einem Jahr Mutter und ist für die Firma nicht mehr verfügbar. Die Chefin sagt, die Störche werden jetzt erschossen.

😉

Storch allein im Nest

Unberührt von den Niederungen eines Büroalltags oder Gespenstern aus der Vergangenheit steht ein vereinsamter Storch hoch oben im Strommasten-Nest. Von drei Geschwistern überlebte nur er. Groß ist er geworden, das Gefieder nun weiß mit schwarzen Schwanzfedern. Fast erwachsen steht er da, stundenlang und ganz allein, mit offenem Schnabel wegen der Hitze. Was für ein Leben, mit nichts zu tun als zu verharren, bis der Herbst kommt. Oder die Eltern mit einem Frosch. Angestrengt schaut er in die Ferne, als warte er auf den Bus. Was windet sich wohl durch sein Storchengehirn? Ob er schon fliegen kann? Ob er es will?

C‘est la vie

Von drei geschlüpften Storchenjungen ist allem Anschein nach nur noch eines da. Manchmal sehe ich es – größer geworden und inzwischen weiß gefiedert – über dem Zweiggeflecht des Horsts in die Welt hinausblicken. Noch immer wird es fortwährend bewacht von seinen Eltern. Ob oben auf dem Strommast noch jemand an die Geschwister denkt? Wohl nicht. Nur ich erinnere mich an sie, eine Weile lang, bis auch ich sie vergesse. So ist das Leben eben.

Man sieht schon das Köpfchen!

Genau gesagt drei Köpfchen sind es geworden. Wie kleine U-Boot-Periskope tauchen sie auf und besichtigen die Welt. Die besteht vorerst aus einer Dorfstraße, ein paar Häuserreihen, Wiesen und am heutigen Tag aus einem leuchtend blauen Himmel.

Über den dunkel-flaumigen Zwerglein ragt mächtig und weiß die Storchenmutter. Jetzt biegt sie den Hals weit zurück, bis der Kopf am Rücken ankommt und ihr Schnabel in die Luft zeigt. Unter lautem Geklapper richtet sie sich elegant wieder auf, hält einen Moment inne und stupst dann eins der Federköpfchen, die vor ihr herumwackeln.

Nur wenn der Sommer feucht bleibt, wenn Frösche, Schnecken und Würmer sich nicht ins Erdreich vergraben – nur dann werden die hungrigen Hälschen gestopft. Bei Futternot stoßen die Eltern ihren Nachwuchs aus dem Nest. Die Küken zählt man erst im Herbst.