Versiebt

Morgens liege ich meist schon eine Weile wach, bevor es Zeit ist. Die Gespenster der Nacht lassen dann ab und die des Tages werfen sich auf mich. Wenn der Alarm endlich fiept, rolle ich zur Bettkante, stütze  mich mit dem Arm auf, schiebe ein Bein über den Rand und seufze: „Ohje“.

Beim Duschen wendet mein Hirn sich dem Wasser zu. Es kann deshalb nicht heiß genug sein, spitz trommelt es meine Haut ab, ich atme leichter.  Abgelaugt und in Frottee geschmiegt schlurfe ich aus dem Badezimmer.

Starker Tee und Frühstücksbrot lässt meinen Blutzucker steigen. Ich kann jetzt meine Augen einen Spalt weit öffnen und schaue in die Nachrichten. Überschriften verschwimmen bald fast, bald ganz, tauchen zittrig wieder auf, mein Blick hält sie nicht fest und irrt weiter zu dem Brief, der auf dem Tisch liegt. Ach ja, man will mich nicht für die Stelle, auf die ich gehofft hatte. „Die Auswahl fiel schwer, aber … wir wünschen Ihnen für die Zukunft …“

Während ich die Zeilen noch einmal überfliege, dämmert mir etwas. Der Lebenslauf. Auf einmal weiß ich, und zwar erst jetzt, in diesem Augenblick: Meine derzeitige Arbeit ist im Lebenslauf nicht erwähnt. Ich brauche gar nicht nachzusehn, tue es dennoch und sehe, dass er vor zwei Jahren endet. Jetzt bin ich wach. Ich hatte ein paar Details angepasst in der Auflistung, und meine jetzige Tätigkeit nicht nachgetragen. Glatt vergessen.

10 Gedanken zu „Versiebt

  1. Sofasophia

    ich wüsste zu gerne, wohin du ziehst. auch in die fremde zur nahen liebe?
    ich drück dir die daumen beim finden. blind und sehend.
    und danke für diesen wunderbaren text.

    unterderduschprosapoesie für den alltag …

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  2. Renate

    Also ich würd‘ dich auf der und für jede Stelle nehmen. Wo du nicht nur so gut schreiben kannst, sondern sogar den Frühstückstisch quer durch die Dusche mit geschlossenen Augen findest. 😉
    DAS soll dir mal einer nachmachen!
    Drück dir ganz fest die Daumen. Die richtige Stelle wartet schon auf dich – da bin ich mir sicher.

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    1. Anhora Autor

      Ich sollte mich vielleicht mal als Blindgänger bewerben, da bringe ich sehr viel Erfahrung mit. 😉
      Schön, dass du mich einstellen würdest, auch wenn mein Lebenslauf weglässt, was mir offenbar nicht gut tut. Wenn du also einmal eine Firma gründest – lass es mich wissen. 🙂

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  3. Lotte

    Wunderlich, dass doch so vielen so gravierende Fehler bei der Bewerbung passieren – und sie dann doch immer erst auffallen, wenn es zu spät ist, obwohl es eigentlich ganz offensichtlich war.
    Auch ich bin seit einiger Zeit dabei meine Bewerbung immer wieder zu überarbeiten. Mein Lebenslauf stimmt zum Glück 😉 Mir sind schon so viele Fehler im Bewerbungsschreiben aufgefallen. Dabei lese ich es immer noch drei mal durch, ehe ich es verschicke. Und dennoch ist mir vor einer Woche bei einer meiner Wunscharbeitsplätze aufgefallen, dass ich sogar an zwei Stellen das Satzende vergessen habe. An der einen Stelle stand ein und. Ich hatte sicherlich auch einen guten Gedanken den ich noch dazu fürgen wolle – aber habe ihn einfach vergessen. Scheinbar beim Kontrolllesen so sehr im Kopf gehabt, dass er da war. Nur leider nicht auf dem Papier. Mal schauen – vielleicht habe ich Glück und den zuständigen Bearbeitern fällt es auch nicht auf. Ich wage das allerdings zu bezweifeln… dir weiterhin viel Erfolg!

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    1. Anhora Autor

      Beruhigend, dass es andern auch so geht! Der Bewerbungsbrief war bei mir in Ordnung, da hab ich sogar meine aktuelle Arbeitsstelle erwähnt. Aber es ist wie du sagst: Man schaut so oft drüber und sieht dennoch die Patzer nicht. Verrückt. Allerdings bin ich im Moment ziemlich erschöpft, daran wirds wohl auch liegen. Also neuer Versuch, und dir auch viel Glück!

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  4. Anhora Autor

    Ich sehe hier auch eine klassische Freud’sche Fehlleistung. Was nicht gut tut, kommt weg, raus aus dem Bewusstsein. Das Eigenartige war, dass mir das in diesem Moment einfiel, als ich den Brief nochmal las. Die ganze Woche davor – kein Gedanke daran, dass etwas fehlen könnte. Dabei war ich so stolz, endlich eine Bewerbung auf die Reihe gekriegt zu haben … Naja. Etwas anderes wird klappen.

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  5. Lisa

    Vielleicht hast du den aktuellen Job auch nur deshalb vergessen, weil er ausgeblendet ist. Es sollte so sein und dieser andere Job wäre nicht das Richtige gewesen. Und um es dem Stellenanbieter zu erleichtern, hast du deinen aktuellen Job weggelassen. Du wirst einen anderen Job finden – einer, bei dem es schon beim Bewerben stimmig ist! Alles Liebe

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  6. Karin

    Hi, fast das Wichtigste…! was hat der Bewerber in den letzten 2 Jahren aktuell gemacht… wie kannst du das vergessen… bitte nachtragen…da schauen wir immer als erstes auf dem Lebenslauf… falls wir mal was Interessantes auf Direktvermittlung bekommen denke ich auch an Dich…o.k….???
    LG – habe jetzt 1 Woche Urlaub – endlich!!!
    LG Karin

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