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Essen wie Gott in Spanien

Nach einer Woche in Andalusien kann man natürlich keine Aussagen über das ganze Land machen. Ich rede also nur von einer Beobachtung, die wir in der kurzen Zeit an ein paar wenigen Orten gemacht haben. Und die ist: eine Riesensauerei. Auf den Tischen meine ich, nach dem Essen. Wenn Spanierinnen und Spanier sich vom Essen erheben, hinterlassen sie angebissene Brötchen, halb aufgegessene Teller, Reste im Trinkglas, verstreute Krümel und zerknüllte Papiertücher.

Ihr Leitgedanke ist offenbar nicht wie in Deutschland ein „Sorry, dass ich da bin, ich mach auch möglichst wenig Dreck“, während wir das Besteck auf den Teller legen, die Serviette ordentlich gefaltet dazu, eventuelle Verpackungspapierchen daneben, das Brot haben wir über dem Teller abgebrochen, sodass die Brösel dort landeten und nicht auf dem Tisch.

In Spanien scheint die Idee eine andere zu sein: „Ich war da, es hat geschmeckt und so habe ich viel gegessen. Sieht man ja daran, wie es auf dem Tisch aussieht.“ Und das steckt an. Schon nach wenigen Tagen übten wir es auch, wenngleich wir noch in der Anfängerklasse spielen.


Aber selbst heute, als wir die mitgebrachten Oliven, Schinkenscheiben, Cracker usw. auf dem Tisch ausbreiten, machen wir es wie die Spanier: Wir verteilen bei der Mahlzeit eine Menge Zeug und beeilen uns nicht mit dem Abräumen. Schließlich hats geschmeckt.

Nichts für Anfänger: Frühstücken in England

Nur Menschen mit einem Magen aus Beton können sich dem englischen Frühstück furchtlos stellen und ein Traditional Full Breakfast zu sich nehmen. Es besteht nämlich aus:

  • Sausages (kleine gebratene Würstchen, ähnlich wie Nürnberger Würstchen)
  • Black Pudding (eine dicke, gebratene Scheibe Blutwurst)
  • Ham (in Fett gebratene und sehr salzige Schinkenscheiben)
  • Eggs (Eier in jeder Zubereitungsart)
  • Hash Browns (frittierte Plätzchen aus Kartoffelteig)
  • Fried Mushrooms (Champignonscheiben, schwarz, gebraten natürlich)
  • Baced Beans and Tomatoes (gebackene weiße Bohnen in Tomatensoße).

Je nach Region gibt es aber noch Zusatzangebote:

  • In Schottland bekommt man noch Porridge, einen mit Wasser gekochten und gesalzenen Haferbrei, der mit Butter, Milch, Sahne, Zucker, Honig oder Sirup gegessen wird, hier mit karamelisierten Bananen. Das Gericht spart Geld: Erst wollte ich danach nie wieder etwas essen, aber am Abend schaffte ich dann doch eine Kleinigkeit.Frühstück (1)
  • Außerdem gibt es Haggis. Dieser kulinarischer Grenzfall mag schmecken wie es will – ich werde es nicht essen. Haggis besteht aus Schafsmagen gefüllt mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett, Zwiebeln und Hafermehl. Lass stecken … so viel Whisky kann ich gar nicht trinken, um das runterzukriegen, und ich lass mir auch nicht weismachen, das Haggis sei ein wild lebendes Tier aus den Highlands.
    Frühstück (2)Die halbe schwarze Scheibe unten: Black Pudding. Die obere: Haggis

  • In Northumberland bekommt man auch Kippers zum Frühstück. Ein Kipper ist ein kalt geräucherter Hering, der am Rückenscheitel aufgeschnitten wird und an den Bauchseiten zusammen bleibt. Er liegt also da wie ein offenes Buch und wird zum Frühstück warm serviert. Hab ich heute probiert, schmeckt sensationell.
    Frühstück Kippers
  • Kedgeree ist auch irgendwas mit Fisch und wurde aus den indischen Kolonien importiert, deshalb gibt’s dazu Reis und Gemüse. Das probier ich morgen.

Vor einem solchen „Hauptgang“ gibt es natürlich Früchte, Cerials (Kornflakes oder Müsli) und Obstsaft. Wer nach einem solchen Frühstück noch am Leben ist, braucht eine Woche zum Verdauen und deshalb glaube ich, dass Engländer das gar nicht essen. Ich glaube, die nagen an etwas Toast herum oder löffeln ein paar Cornflakes und erfanden das „volle Programm“ für Touristen, die sich gruseln wollen.

Octopus Balls

Kein Scherz: In Griechenland isst man Octopus Balls. Für alle der englischen Sprache nicht mächtigen Leser: bitte hier nachschlagen. Und ja. Das ist hier eine Vorspeise. Wir beugen uns über die Menükarte eines Restaurants in Pothia auf der Insel Kalymnos, und stoßen auf diese im Englischen irritierende Bezeichnung.

 

Kardamena_Octopus2

 

Gemeint sind natürlich nicht „die“ Balls, die im ersten Moment unsere Augenbrauen nach oben zucken lassen. Es handelt sich um – im Deutschen weitaus unverfänglicher bezeichnete – Bällchen. Oktopus-Bällchen.

Jedenfalls esse ich keinen Oktopus, Tintenfisch, Calamaris oder wie man es auch nennt. Ich habe nie verstanden, was an frittierten

Gummiringen schmecken soll. Um einen Oktopus jedoch in Bällchenform bringen zu können, muss man ihn vorher pürieren, und das ist der Unterschied. Das Ergebnis ist eine derart fein schmeckende Speise, dass ich ein Bällchen nach dem andern wegputze, als gäbe es kein Morgen.

Ob ich wirklich nur Fangarme gegessen habe oder nicht doch ein wenig Hödchen dabei war, will ich nicht wissen. Mir hat’s geschmeckt!

 

PS: Wer in Griechenland Griechen treffen will, ist auf der Insel Kalmynos gut aufgehoben. In der malerischen Haupt- und Hafenstadt haben wir keine ausländischen griechische Touristen gesehen. Ein Ausflug hierher lohnt sich!

http://www.yeome.de/kalymnos-reise.html

http://griechenland-insider-urlaub.de/Dodekanes/Kalymnos/Pothia

 

Unsichtbar

Bestellen dürfen wir in der Lounge. Es wird uns eine Speisekarte überreicht, in der mehrgängige Menüs beschrieben werden, ohne auch nur eine Speise beim Namen zu nennen. Wir können zwischen Vetetarisch, Geflügel, Fisch und Rind wählen, den Rest werden wir später erfahren.

Danach lernen wir René kennen, den Kellner, der uns den Abend über betreuen wird. Er bittet mich, die Hände von hinten auf seine Schultern zu legen, der geliebte Brite legt seine Hände auf meine Schultern. Tschutschutschu, die Eisenbahn … so ziehen wir ins Restaurant ein. Noch sind wir die Überlegenen.

Die Kellner sind durchweg blind oder stark sehbehindert und machen trotzdem eine ausgezeichnete Arbeit, denn im Inneren des Saals sind sie die Kings, und wir die Deppen. Es ist hier so finster, dass ich es physisch spüren kann. Es liegt wie ein Schwamm auf meinen Augen, eine dicke Schicht von Irgendwas und ich versuche immer wieder, es wegzuwischen. Man sieht nichts. Und ich meine: nichts.

René erklärt uns liebenswürdig, wo auf unserem Tisch Teller, Gabel, Glas und so weiter zu finden sind. Er duzt uns, und das gefällt mir. Gehören wir nicht alle zusammen? Die gut dreißig Jahre Altersunterschied sieht er ja nicht. Bald bringt er den ersten Gang und das Suchen nach den Speisen sorgt für Gelächter und Gesprächsstoff, es klappt aber erstaunlich gut. Man muss nur mit dem Gesicht nahe über dem Teller bleiben, dann kleckert man auch nicht, von den Soßenspritzern im Gesicht einmal abgesehen, aber die sieht ja keiner. (Wie lustig es wäre, wenn einer mal versehentlich an den Lichtschalter käme!) Nach ein paar Bissen identifiziere ich Krabbensalat und Meerrettich. Ob es die veränderte Wahrnehmung ist oder nicht – es ist höchstwahrscheinlich der beste Krabbensalat, den ich je gegessen habe!

Wie findet René uns hier nur? „Wir kennen den Weg“, lacht er, „es ist ja unser Job!“ Aber immer wieder mal vertut sich ein Kellner um ein paar Zentimeter und rempelt leicht an unseren Tisch. Das passiert jedoch nur, wenn wir gerade nicht reden. Natürlich kommt der geliebte Brite in Versuchung, mal ein Bein rauszustrecken, wenn wieder eine Polonaise an uns vorbeikichert. Ich hoffe er hat es nicht gemacht, gefallen ist jedenfalls niemand. Man kommt auf die dümmsten Gedanken hier.

Zwei bis drei Stunden später – man kann ja nicht auf die Uhr sehen – nach dem letzten Gang und als es „nichts mehr zu tun“ gibt, fängt mein Hirn an Faxen zu machen. Ich bin immerzu damit beschäftigt, meine Umgebung abzuhören: Wie groß ist der Raum, wieviele Menschen befinden sich darin, wie weit sind die Stimmen entfernt, in welchen Sprachen reden sie, wo gehts hier raus? Mein Instinkt fordert Sicherheit, es ist ungewohnt und irgendwann möchten wir zurück ins Licht und sind dankbar, dass es so einfach ist. René bringt uns wieder nach draußen.

Bezahlt wird in der beleuchteten Lounge, dort erhalten wir auch die „Auflösung“, also die Menükarte und erfahren, was wir überhaupt gegessen haben. Bei fast allem lag ich richtig, nur das vermeintliche Zitronensorbet war ein Passionsfrucht-Parfait. Billig ist das Ganze nicht, vier Gänge kosten zwischen 50 und 70 EUR pro Person. Dafür gibt es ein fantastisches Essen, eine krasse Erfahrung, einen Klasse Abend. Von fünf Sternen gebe ich fünf für die Unsicht-Bar in Berlin, größtes Dunkelrestaurant der Welt.

schwarz
Beim Abendessen.

Küchenkünstler

„Oh,“ meinte der Kellner mit den schwarzen Augen, „was drin ist, weiß nur unser Koch.“ Ob es wohl möglich sei, ihn zu fragen, erkundigte ich mich. Ich habe mich nämlich in eine Soße verliebt. Weiß und leicht kam sie daher in einem Schüsselchen, ich schleckte davon und in meinem Mund ging eine Tür auf. Es war, als zeige darin ein himmlisches Wesen aufs Paradies. Verblüfft versuchte ich das Geheimnis des Aromas zu ergründen. War es Ananas? War es Mango?

Der Kellner brachte ein Handy. „Sehen Sie, ein Foto aus der Küche. Hier Joghurt, das Weiße in der Schüssel. Darauf Mango Chutney,“ erläuterte er und strich mit seinem dunklen Finger auf dem Bildschirm herum. „Garam Massala, Zucker, Mint paste…“ Mint! Das war es, worauf ich nicht gekommen war. Ein Hauch Mint fügt sich zusammen mit dem Rest zur kulinarischen Kunst.

Ich gab ein Trinkgeld, da erschien der Koch. Ohne Zweifel war er an unseren Tisch geschickt worden war und wusste nun nicht, wohin er schauen und was er sagen sollte. Dann kam der Manager (soviel Trinkgeld war es wirklich nicht!) und wir plauderten über Bangladesh, der Heimat der meisten Menschen in dieser Gegend. Wir waren die letzten Gäste, die das Lokal verließen, und zum Abschied bekamen wir eine Tüte: Mit der göttlichen Mintsauce!

 

Wer nach London kommt und Lust hat auf nette Menschen und eine unglaubliche Soße:

Saffron Restaurant, 53 Brick Lane, London, E1 6PU

 

Hier das Rezept:

Mango-Mint-Soße

• Yoghurt (ca. 2/3)
• Mango Chutney (ca. 1/3)
• Kashmiri Masala (oder sonst irgendein Masala)
• Mint paste (Das ist ein Problem, ich suche noch danach. Werds mal mit getrocknetem Minz-Gewürz versuchen)
• Zucker
• Zitronensaft (wenig)

Kulturnews

Bei einem Rosenverkäufer, der nicht nur Rosen verkauft, sondern auch indische Gerichte kocht, holte ich heute unser Abendessen. Sonderbar wurde es bei der Bezahlung. Was entrichtet man, wenn kein Preis genannt wird? Orientalen und Asiaten wissen es, ich aber bin deutsch. Mir muss man sagen, was es kostet, daraufhn händige ich das Geld aus und fertig.

In anderen Kulturen wird der Gebende jedoch keine Summe nennen, sobald Freundschaft im Spiel ist. An vielen Freitagabenden haben wir dem netten Pakistani in unserer Stammkneipe Rosen abgekauft. Wir haben zusammen gesessen, miteinander geplaudert und heute Nachmittag lernte ich, dass deshalb komplizierte Regeln zu befolgen sind. Mit Freunden macht man keine Geschäfte. Man macht ihnen Geschenke. Zum Beispiel Fleisch für mindestens vier Personen, Linsen in mehreren Farben, Kichererbsen, Kartoffeln, Spinat, zahllose Gewürze, alles verteilt auf vier unterschiedliche Speisen, die für mich bereit standen.

Der Beschenkte aber darf die Großzügigkeit des andern nicht ausbeuten, auch das wären schlechte Sitten. Also gibt er ebenfalls etwas, und am Ende mündet das Ganze dann doch in ein Geschäft. Das ist vielleicht von Beginn an das Ziel, niemals darf es aber so aussehen. Jedenfalls folgerte ich das aus dem Verhalten des Rosenverkäufers, der sich weigerte, einen Preis zu nennen, zwanzig Euro aber nahm.

Ich fürchtete, es sei nicht genug. Gruschtelte nach Kleingeld, legte es dazu und er steckte alles verlegen ein. Er hätte auch mehr genommen, aber in meinem Portemonnaie befand sich nur noch ein Fünfziger, das wäre zu viel. Ich bot ihm eine Zigarette an, die nahm er. Eine zweite nahm er nicht. Ich versprach ihm einen Drink beim nächsten Mal im Irish Pub. Dazu sagte er ja.

Das Essen jedenfalls schmeckte so exotisch und köstlich wie beim letzten Mal. Damit wenigstens kenn ich mich aus!

Garam Masala

Garam Masala

Ich überlegte noch, ob es eine gute Idee war, weinduselig beim Rosenverkäufer Essen zu bestellen. Absagen ging aber nicht, er besitzt ja kein Telefon. Ihn mit dem Essen sitzen zu lassen, ging auch nicht, also machten wir uns wie verabredet am Sonntagabend auf den Weg. Die Adresse: Nicht die beste.  Einer der Orte, wo man sich als Deutscher – ob man es will oder nicht –  fühlt wie ein Gutsherr, der die Hütte des Knechts mit Glanz erfüllt. Ein riesiges Mietshaus also mit wenigen deutschen Namen an den Türklingeln.

Unten auf der Straße wartete er, lächelnd wie immer bat uns der Rosenverkäufer ins Haus. Ich weiß, ich bin zu deutsch, aber kann man es abstellen? Jedenfalls fiel mir sofort auf, dass das Treppenhaus gekehrt war. Ein paar Pflanzen standen ordentlich vor einer Wand aus Glassteinen, wir folgten dem Pakistani in den vierten Stock. Wenig Möbel standen in der kleinen Wohnung, und (vergebt mir): es war ordentlich. Die Küche gebraucht, aber sauber, ich sah es mit Erleichterung.

Sogleich begann der Rosenverkäufer damit, Schubladen und Schränke zu öffnen (alles aufgeräumt innen) und Gewürze herbeizutragen, die sich in ausgedienten Kaffee- und Marmeladengläsern befanden. Jedes einzelne hielt er uns vor die Nase, nur wenige kannte ich: Kardamom, Kreuzkümmel, Kurkuma, Ingwer, Chili, Knoblauch, vielerlei Samen und Pulver, Masala. In grausigem Deutsch beschrieb er sie einzeln und gesund sei alles, das vor allem, aber auch sehr gut. Es duftete wie in einer Parfümerie.

Dann sahen wir ihn. „Unseren Topf“. Groß, schwarz, und – als er den Deckel anhob – voller Hühnerbeine. Meine Tochter ist Vegetarierin geworden, weil sie es den Tieren nicht antun kann. Einen Moment lang wollte ich ebenfalls nicht, dass diese Geschöpfen unseretwegen zerhackt in einer hellen Sauce schwammen. Aber dann stieg ein Aroma von ihnen auf, dass ich entschied: Wir bleiben Fleisch-Esser.

Der Reis war gemischt mit Gemüse, herrlichen Gewürzen und einem Holzstückchen, das der Rosenverkäufer heraus stocherte und an dem er uns riechen ließ. Wie Sandelholz. Oder Zimt? Wir bewunderten den Duft und er legte es lachend zurück. Ob wir Kaffee wollen, oder etwas zu trinken? Und nein, Geld nehme er nicht. Es sei das erste Mal, lieber koche er wieder einmal für uns. Zehn Euro ließ ich liegen, heimlich, viel zu wenig bestimmt. In Joghurt-Eimern trugen wir das Köstliche zusammen ins Auto.

Indisches Essen ist in England verbreitet, mein Liebster kennt es. Ich selbst besuchte gelegentlich indische Restaurants in Deutschland, aber was hier auf den Tellern dampfte, war etwas anderes. Das Curry nahm mich mit ins Labyrinth indischer Gassen mit Händlern, exotischen Düften, Farben, Blütengirlanden. Scharf schmeckte es, fremd, und wundervoll. Ich schämte mich ein wenig wegen meiner Vorurteile und weil ich selbst so viel Gastfreundschaft vielleicht nicht zustande brächte. Auf alle Fälle war es eine besondere Mahlzeit, und mit jedem Bissen drang ich tiefer in die Welt von Gewürzen und Miteinander.

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Garam Masala