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Loslassen

Was wir loslassen können, bestimmt, wie hoch wir fliegen.

In diesem Zusammenhang hat mir jemand erzählt, dass an manchen Küsten gelegentlich tote junge Fischadler gefunden werden, die nicht loslassen konnten. Wenn sie einen Fisch gefangen hatten, der zu schwer war, um damit zu fliegen, haben sie ihn trotzdem in ihren Krallen festgehalten und sind mit ihm ertrunken.
Ob das stimmt, weiß ich nicht, aber:

Euch wünsche ich ein gesundes und fröhliches neues Jahr
ohne unnötigen Ballast!

Auf den Bildern man übrigens keine Fischadler, sondern gewöhnliche Möwen am Bodensee. Um die muss man sich aber keine Sorgen machen. Die ertrinken nicht. Sie fressen und kreischen und kacken den ganzen Tag. 😅

Wir können wieder reisen!

Es ist immer das Gleiche: Kaum arbeitet man wieder in vollem Umfang, schon hat man zu nichts mehr Zeit. Seit dem 1. Juli bin ich nicht mehr in Kurzarbeit, deshalb liegen die schönen Bilder von unserem Besuch letzte Woche in Freiburg immer noch unbesichtigt im Ordner herum.

Es war eine besondere Reise. Nicht nur die Stadt ist besonders schön, sondern wir feierten auch den dreißigsten Geburtstag des jüngsten Sohnes, der in Freiburg lebt. Ich bin also besonders alt geworden, wie mir bewusst wurde, aber so ist es eben.
Die Reise an sich war aber auch deshalb etwas Besonderes, weil es die erste seit gefühlt vielen Jahren war. Also: Seit Corona eben. Das letzte Wochenende abseits vom eigenen Küchentisch ist erst vier Monate her, aber mir kommt es viel länger vor.

Hier also die Bilder:

 

 

 

Kunst und Knödel

In welchem Museum steht diese Skulptur? Und wie kommt das Klopapier dahin?

Nein, es ist keine Installation moderner Kunst, und kein Witzbold hat eine Kunsthalle entweiht. Es war vielmehr eine aufmerksame Reinigungskraft, die diese Klopapierrolle dort deponiert hat, wo sie hingehört: In der Toilette.

Über eine Büste über dem Spülkasten kann man sich indessen Gedanken machen. Bei der nächsten Sitzung zum Beispiel.

Gesehen im ältesten Gasthaus Deutschlands: Dem Roten Bären in Freiburg. Teile davon gibt es schon seit dem 12. Jahrhundert.

Und so sieht in Corona-Zeiten das Frühstücksbuffet aus: Es kommt an den Tisch.

Dieses hier war allerdings schon halb aufgegessen, ehe ich an ein Bild für die Corona-Chronik dachte.

Das monumentale Ereignis

In Großbritannien gibt es eine Radiosendung mit dem Politiker, Populisten und Brexit-Hardliner Nigel Farage. Leute können live anrufen und Fragen stellen. Normalerweise ist die „Nigel Farage Show“ ist keine Perle unter den Hörfunkprogrammen. Außer neulich. Da ging folgendes Gespräch über den Äther:
Anrufer: „Ich muss wirklich sagen, ich bin Ihnen extrem dankbar für alles, was Sie in den letzen Jahren in der britischen Politik geleistet haben. Ich war ja von ganzem Herzen gegen den Austritt Großbritanniens aus der EU. Ich glaubte an die europäische Idee und dass es das Beste für uns wäre, in der EU zu bleiben.
Aber dann geschah etwas, das meine Sicht auf die ganze Situation komplett veränderte. Es geschah etwas Monumentales.“
Farage (geschmeichelt): „Was war denn dieses Ereignis, Mark?“
Anrufer: „Ich wurde von einem Pferd gegen den Kopf getreten.“

Mal abgesehen von Hürden und aktuellen Entwicklungen – wie denkt ihr grundsätzlich darüber: Europa oder Nationalstaat?

Briefkästen – vom Aussterben bedroht?

Bei unserer Wanderung in Italien fiel mir mancher hübsche, kreative und völlig normfreie Briefkasten auf. Es wäre schade, wenn es sie nicht mehr gäbe. Ob wohl unser Leben irgendwann einmal komplett digitalisiert ist und die Postannahmestelle am Haus obsolet wird? Es ist ja schon heute nicht mehr viel darin zu finden. Das einzig Interessante sind die Reklameblättchen von Aldi oder Lidl, und auch die könnte man im Internet nachschauen. (Aber nicht aufs Klo mitnehmen als Lektüre.)

Unser Briefkasten ist dagegen unspektakulär: Nur ein Einwurfschlitz mit Klappe, der Kasten befindet sich innerhalb des Gebäudes. Standard.
Wie sieht euer Briefkasten aus?

Natürlich!


Ich frage mich, ob der Anblick eines hochschwangeren Bauchs für kleine Kinder heutzutage normal ist, oder ob sie nicht doch etwas verstört reagieren könnten. Wo doch selbst Erwachsene sich über Frauen aufregen können, die in der Öffentlichkeit stillen.

Das Ding auf dem Bauch der jungen Mutter ist übrigens kein Hühnerbein, sondern der Stiel einer Blume.

Gesehen haben wir die eindrucksvolle Skulpturenausstellung des Künstlers Franco Alessandria bei unserer Wanderung im Piemont in La Morra.

Dem Nutellakönig zu Ehren

Jeder Deutsche und jede Deutsche muss man mindestens einmal im Leben eine Schachtel Mon Chéri geschenkt bekommen haben. Sonst kann einem die Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Traditionsgemäß verschwindet die Schachtel in einer Schublade zum Weiterverschenken (sodass es insgesamt vielleicht gar nicht viele gibt), und wer hats erfunden? Ein Italiener. Michele Ferrero, König des Piemont, ihm verdanken wir Nutella, Duplo, Kinderschokolade, TicTac und vieles mehr. Stammsitz des Imperiums ist in Alba/Italien, und weil er so viele Menschen glücklich gemacht hat – egal ob durch Arbeitsplätze oder Überraschungseier – tragen viele Plätze und Straßen in dieser Region seinen Namen.

Wir entdeckten aber etwas anderes, das ihm gewidmet ist. Und das ist gleich in zweifacher Hinsicht einmalig:

1. Das Design – schaut es euch an!
2. Nichts, aber auch gar nichts ist darüber im Internet zu finden.

Wir wissen nur, dass es sich um ein optisch interessantes Haus in einem kleinen Ort namens Serravalle Langhe handelt, aber nicht, was es damit auf sich hat. Wer hat es gebaut? Wem gehört es? Neben dem Gebäude befinden sich Sportplätze – ist es ein Vereinsheim? Oder ein Museum? Ein Privathaus? Wir wissen es nicht, aber nunmehr ist dem Internet wenigstens bekannt, dass es dieses Haus gibt. Sollte also jemand dort aufschlagen und zufällig italienisch sprechen, könnte man ja mal nachfragen und Mrs Google aufklären.

Fotomodelle

Kennt ihr das auch, dass ihr gar nicht mehr aufhören könnt, etwas Bestimmtes zu fotografieren?

Ich jagte bei unserer Wanderung ständig Zeit hinter Schmetterlingen und Eidechsen her. Die Schmetterlinge waren meist unfotografierbar, aber ein paar habe ich erwischt. Was ich nicht einfangen konnte, war eine Art Heuschrecke. Man erkannte sie kaum auf dem Boden, aber wenn man näher trat, flog sie ein paar Meter davon, und im Flug entfaltete sie leuchtend blaue Flügel! Wir sahen diese erstaunlichen Tierchen immer wieder, und am letzten Tag durften wir noch eine andere Variante bewundern: Sie leuchtete beim Fliegen rot.
Mrs Google kennt sie übrigens: Es handelt sich um die Blau- bzw. Rotflügelige Ödlandschrecke. Nun wissen wir das auch.

Die Eidechsen hielten eher still beim Fotografieren, sahen aber alle gleich aus. Außer einer: Sie war größer und fülliger als die kleinen Mauereidechsen, grasgrün und herrlich anzusehn. Eine Art Gecko oder so was. Bis ich die Kamera positioniert hatte, war sie leider weg.

Habt ihr auch Motive, denen ihr mit der Kamera nicht widerstehen könnt?

Reisegeschichten (2)

Um ein Haar hätten wir uns im Urlaub mit jemandem angefreundet. Es waren ja noch mehr Wanderer unterwegs: einmal hatten wir einen Abend lang Spaß mit einem jungen holländischen Paar. Aber die meine ich nicht. Ich meine Her Highness und den Husten.

Die beiden waren schon älter und stammten aus Australien. Sie fielen uns auf, weil Er sich beim Reden ständig räusperte, während Sie auf eine Art sprach, als sitze sie beim Pferderennen in Ascot: very british, very posh, „I am utterly exhausted“ und so. Her Highness in Wanderhosen.

Sie zeigten kein Interesse an uns. Wir auch nicht an ihnen, weil uns Husten und Gehabe auf die Nerven gingen. Der Mann grüßte immerhin zurück beim Frühstück oder Abendessen. Die Dame würdigte uns keines Blicks.

Einmal steuerten wir bei einer Wanderung auf die einzige Bar in einem Dorf. Da hörten wir es von der Terrasse her schon husten. Wir gingen trotzdem rein, weil wir Hunger hatten, und zum ersten Mal bedachte uns Her Highness mit einem Lächeln. „Hi,“ begrüßte sie uns charmant. „Hi Highness“, hätte ich beinahe erwidert. Sie empfahlen uns die Panini, mehr wurde nicht daraus. Auch nicht später beim Abendessen.

Die Wende kam am letzten Tag. Wir wurden von Cortemilia zum Ausgangspunkt in Alba zurückgebracht und landeten im selben Taxi: 45 Min. Zeit, uns anzuschweigen oder nicht. Und da ging das Plaudern los. Wie fandet ihr es? Hattet ihr auch Angst vor Wildschweinen? Manchmal ging es schon lange bergauf, oder?

Es wurde geradezu munter zwischen uns und wir entdeckten einige Gemeinsamkeiten. Deshalb wollten war beim Aussteigen gar nicht glauben, dass es vorbei ist. Wir werden uns niemehr wiedersehen. Australien ist zu weit weg.

Warum dauerte das so lange?

Reisegeschichten (1)

Habt ihr euch schon einmal mit der Technik in Hotelzimmern herumgeschlagen?

In einem hübschen Quartier in Monteforte d’Alba betrete ich die nagelneue, ebenerdige Duschkabine. Sie ist zur Hälfte durch eine Glasscheibe abgetrennt und hat einen tellergroßen Brauskopf, der wie ein Satellit über mir schwebt. Alles wirkt modern, offen und hell.
Allein: es kommt kein Wasser. Ich drehe an Griffen und Hebeln, drücke, ziehe – nichts.

Da steh ich also: staubig, nackt, verschwitzt. Der geliebte Brite liegt auf dem Hotelbett und reagiert nicht auf meine Rufe. Ist wohl eingeschlafen.

Also nehme ich die Handbrause, die funktioniert. Ich justierte sie an der Duschstange, positioniere mich davor und wasche mir 15 gewanderte Kilometer vom Leib. Danach steht allerdings nicht nur das komplette Badezimmer samt Wäsche und Taschen auf dem Boden unter Wasser, sondern auch das angrenzende Hotelzimmer. Als ich ans Bett trete, platscht es unter meinen Füßen.

Ich melde den Schaden an der Rezeption und behaupte „Dusche kaputt“. Eine Mamma erscheint mit Eimer und Wischmop, während der Brite bereits mit den Aufräumarbeiten begonnen hat. Zu dritt ziehen wir Handtücher über den Boden, wechseln die Bettwäsche (die herunterhängenden Laken haben sich vollgesaugt), nach einer halben Stunde ist der Tsunami besiegt.

Der Brite hat nach einer Weile auch herausgeknobelt, wie die Dusche funktioniert. Aber hey, ich bin Büroangestellte und keine Ingenieurin! Wie bescheuert ist ein Design, dessen Mechanik man nicht versteht und dessen Boden nur unter der Brause abschüssig anlegt ist, im übrigen Teil der Kabine aber nicht??
Drei Tage brauche ich, um darüber lachen zu können.
Der Brite nur drei Minuten. 😦


Quelle: https://www.booking.com/hotel/it/il-grappolo-d-oro.de.html

Angekommen

An unserem letzten Wandertag wurde es wieder warm, und wir marschierten gemütlich vor uns hin. Von Cravanzana nach Cortemilia, 13 km, 450 m nach oben, 790 m nach unten. Ein letztes Mal ließen wir uns von der Schönheit der Natur einfangen.

Etwa 80 km gingen wir in sechs Tagen zu Fuß und keuchten knapp 3000 Meter bergauf. Die Muskeln und Gelenke sind fit geworden, der Geist auch. Wir wissen nun, dass Wegbeschreibungen nicht strikt befolgt werden dürfen, dass Wegmarkierungen öfters fehlen oder an interessanten Stellen erscheinen, z.B. vor (!) einer Kreuzung. Als wollten sie sagen: „Links? Rechts? Was sind das für Fragen! Geh, wohin dein Herz dich führt, dann kommst du schon an. Wo auch immer.“
Nur auf die App mit dem Tourenverlauf war Verlass, deshalb haben wir uns auch nie verirrt. Respekt vor den Wandersleut, die früher nur mit einer Karte losgezogen sind.

Nun sind wir wieder zu Hause. Ich sehe noch immer das unendliche Grün der Landschaft und das strahlende Blau des Himmels vor mir. Es ist nicht so, dass eine solche Wanderung das große und einzigartige Erlebnis ist. Es sind die vielen kleinen Begebenheiten unterwegs: was man alles sieht, wen man trifft, was man lernt, wie die Strapazen immer besser gemeistert werden, wie die Natur die Seele weitet.
Es geht darum, was der Kopf mitnimmt auf einer solchen Reise und wie manches Thema des Lebens in den Hintergrund rückt.
Deshalb mache ich sowas.

„Reise! Geld kommt zurück, Zeit nicht.“

Gebucht haben wir diese Wandertour bei AbenteuerWege.
Wir waren in hervorragenden Hotels oder Gästehäusern untergebracht und unser Gepäck wurde immer zur nächsten Unterkunft gebracht. Hat alles prima geklappt.

Von Geistern und Schweinen

14 km schaffen wir heute, von Cissone nach Cravanzana. 570 m bergauf, 622 bergab. Da knarrt der Wanderstiefel.

Meist geht es durch lichte und dichte Wälder, perfekt für einen heißen Tag. Nur: Es ist nicht heiß. Gestern Abend gingen Regengüsse nieder, es kühlte auf etwa 15 Grad ab und der heutige Tag bleibt verhangen. So ist das Leben eben.

Wir folgen also den lehmigen, z.T. steilen und glitschigen Wegen der Routenplanung und werden immer tiefer in einen riesigen, naturbelassenen Wald geführt. Keine andere menschliche Seele weit und breit.

Da tauchen mit der Zeit Fratzen und Monster auf. Es sind ja nur abgestorbene Baumreste, aber in der wabernden Feuchtigkeit fühle ich mich wie in einem Zauberwald.

Noch gruseliger sind die Hufabdrücke in der einen oder anderen Lehmkuhle, und immer öfters die frisch (!) aufgeworfene Erde auf dem Weg.
Das waren keine Waldgeister.
Das waren Cinghiale. Wildschweine.

Ich möchte hier nicht den Handy-Empfang verlieren, denke ich, aber das kann einem ja nur in Deutschland passieren.

Der geliebte Brite weiß jedenfalls, dass Wildschweine sehr scheu und nur bei Nacht unterwegs sind. Ich hoffe das stimmt.

Bei der ersten Gelegenheit fliehe ich auf eine kleine Landstraße. Dieser Weg ist etwas länger als der durch den Waldpfad, aber egal. Er führt auch zum Ziel.
Wie gut, dass es Wander-Apps gibt.

Fließen lassen

Von Montfort d’Alba nach Cissone, 17 km, 914 m rauf, 745 m runter.

Die Landschaft ändert sich allmählich. Die weich geschwungenen Hügelketten scheinen zusammenzurücken und es gibt nicht mehr so viele Weinberge, dafür mehr Haselnussplantagen.
Manchmal ist es heiß, manchmal staubig, manchmal geht es durch schattige Wälder, manchmal ziehen Wolken auf. Wir wandern bergauf und bergab.

Die Orientierung gelingt gut mit den ausgedruckten Wegbeschreibungen, den rot-weißen Markierungen, und im Zweifelsfall mit der App. Ich denke nicht mehr darüber nach. Wir werden ankommen, so viel ist sicher.

Die Ruhe dringt allmählich durch zu mir. Aus der Ferne sind gelegentlich Landmaschinen zu hören, in der Nähe das Zirpen der Grillen, der Wind in den Blättern, die knirschenden Steine unter den Wanderschuhen.

Am Wegrand schaukeln Schmetterlingswölkchen aus Bläulingen, die hier klein sind wie ein Daumennagel. Wir sehen auch viele Eidechsen, keine einzige Katze, und aus den eingezäunten Häusern rennt meist ein kläffender Hund eine Weile mit uns mit.

Auf solchen Wanderungen hört das Holterdipolter in meinem Hirn auf. Ich denke dann nur noch darüber nach, was ich gerade höre, was ich sehe und wo die nächste Abzweigung ist. Das reicht eigentlich immer, aber im Alltag vergesse ich es oft.

Wanderstatus

Von Vergne über Barolo und Novello nach Monforte d’Alba:
16,02 km, 134 Etagen oder ca. 400 Höhenmeter brachten heute das Hawaii-Abzeichen meines Fitness-Armbands – und einen anstrengenden Tag.
Es sind nicht so sehr die Beine, die schmerzen, sondern die Schultern, obwohl mein Rucksack bei dieser Wanderung nicht viel wiegt. Ungewohnt ist es dennoch. Bei den Abstiegen ziept das rechte Knie ein wenig, die Oberschenkelmuskeln meckern herum, wenn ich nach einer Pause wieder aufstehen will, die Auswirkung der Temperaturen um die 28 Grad haben wir unterschätzt, und überhaupt.
Das ist normal bei einer Fernwanderung. Der Körper erschreckt sich ein wenig an den ungewohntem Aufgaben, gewöhnt sich dann aber daran.

Achterbahn und Knöchelschuh

146 Etagen sind wir heute hochgestiegen! Das sagt jedenfalls mein Fitness-Armband nach ca. 400 erklommenen Höhenmetern und verlieh mir die Goldene Achterbahn. Den Knöchelschuh-Orden erhielt ich außerdem, weil ich über 16 km gelaufen bin.
Es ist Wandersaison.

Heute morgen starteten wir etwas südlich von Turin in Alba, der Hauptstadt von Nutella und Mon Chéri. Also, Ferrero. Wir wanderten durch und über die Weinberge des Piemont und sahen den ganzen Tag Weintrauben, Haselnusssträucher und faszinierende Hügellandschaften.
Vom typisch italienischen Charme des Zerfalls gibt es hier wenig, sondern herausgeputzte, schmucke kleine Dörfer und gepflegte Wanderwege. Die Gegend ist wohlhabend. Nur die Stromleitungen zwischen den Häusern – die gehören auch hier zum normalen italienischen Straßenbild.

„Selig seid ihr, es wird euch gut ergehen“

Von der Mythologie her befinden wir uns auf geheiligtem Boden. Auf der Insel Samos wurde die Göttin Hera geboren, später heiratete sie hier den Göttervater Zeus. Hera gilt auf der Insel als Wächterin der Geheimnisse des ehelichen Lebens, als Schutzpatronin der Ehe und als Geburtsgöttin.

Wenn das nicht passt, hatte ich gedacht beim Anflug auf Samos. Aber beim Gebären sind wir aktuell noch nicht. Erst einmal wurde geheiratet auf Samos, und zwar vor einer Woche und mit so viel Glamour wie sicherlich einst das Götterpaar.

Meine Tochter und ihr griechischer Mann haben sich nun also nicht nur vor der Welt, sondern auch vor Gott das Ja-Wort gegeben. Unsere Familie hat jetzt deutsche, österreichische, schweizerische, britische und griechische Mitglieder. Was für ein Fest! Wir freuen uns so.

 

Und wenn man schon mal da ist, genießt man natürlich die herrliche Insel, die vom Massentourismus zumindest auf der Südseite noch nicht entdeckt wurde.

Die Wahrheit über den Sirtaki

Rechter Fuß Schritt rechts seitwärts
Linker Fuß kreuzt hinter rechtem Fuß
RF rechts seitwärts
LF vorn überschwingen …

Wusstet ihr, dass der Sirtaki gar kein griechischer Tanz ist? Und schon gar nicht traditionell?

Er wurde 1964 erfunden, und zwar zur Filmmusik von Mikis Theodorakis für den Film Alexis Sorbas. Angeblich soll der Hauptdarsteller Anthony Quinn tänzerisch nicht begabt gewesen sein und  man wollte es ihm leichter machen. Der Schauspieler selbst erklärte die Erfindung der Tanzschritte mit einer Fußverletzung. Durch den Film wurde der Sirtaki weltweit bekannt und viele Nicht-Griechen halten ihn für den Inbegriff des griechischen Tanzes. Dabei sollte auffallen, dass es nur eine einzige „Sirtaki“-Melodie gibt, die wir natürlich alle kennen. D-rrmmm ….

„Sirtaki“ ist übrigens die Verkleinerungsform von Syrtos, und das ist der eigentliche griechische Volkstanz, ein Kreistanz. Der Sirtaki wird dagegen meist zu zweit getanzt mit den Armen über den Schultern des Nachbarn.

Griechische Tänze? Kann ich. Jedenfalls ein bisschen. Ich hab es mir auf Youtube genau angesehn.

Gelegenheit zum Üben habe ich am Samstag: Im letzten Jahr gab die Tochter nämlich das Ja-Wort zu ihrem Mann vor der Welt, am Samstag gibt sie es vor Gott. Und zwar in Griechenland, der Heimat des Schwiegersohns.

Das wird ein Fest!

Rechter Fuß Schritt rechts seitwärts
Linker Fuß kreuzt vor rechtem Fuß

 

Der Schatten des Esels

Ein Zahnarzt mietete einen Esel für eine Tagesreise. Als er sich in der Mittagshitze in den Schatten des Tiers legte, hinderte ihn der Eselstreiber daran. Er habe ihm wohl den Esel vermietet, nicht aber dessen Schatten. Dafür seien zusätzliche Gebühren fällig. Es folgte ein unangenehmer Streit, die Sache kam vor Gericht, die Bürger der Stadt mischten sich ein, dann das ganze Land und schließlich kam es zur Spaltung des Volks und Bürgerkrieg. „Esel oder Schatten?“ wurde zur Glaubensfrage.

Diese Geschichte schrieb ein Dichter aus Biberach im 18. Jahrhundert, angelehnt an ein Grundmotiv aus der Antike. Es ist eine Satire auf die Macht der Deutung und das Spiel der Advokaten. Wer seinen Standpunkt nicht aufgibt, und wer sich von geschäftstüchtigen Juristen oder anderen Leuten mit eigenen Absichten dabei noch befeuern lässt, der riskiert den Frieden.

(Spontan fallen mir dazu die lieben Engländer mit ihrem Brexit-Chaos ein.)

Biberacher Marktplatz: Skulptur von Peter Lenk nach „Der Prozess um des Esels Schatten“ von Christoph Martin Wieland (1733-1813) aus Oberholzheim bei Biberach.

Was gibt es sonst noch in Biberach?
Es lebe die Vielfalt!

Heiligs Blechle!
(Skulptur vor dem Museum Biberach)

Einblicke (in den Museums-Innenhof)

Übrigens:
In Biberach fand die erste Shakespeare-Aufführung in deutscher Sprache statt, und ihre mächtige gotische Kirche nutzen die Gläubigen beider christlichen Konfessionen schon seit dem 16. Jahrhundert gemeinsam.

Mir gefällts hier! 🙂

Über Glück, Alter und einen Bahnhof

„Was für eine Freude! Gerade in der heutigen Welt mit all dem Jammern und Klagen und Kämpfen.“

Das sagt der 91-jährige Denis Robinson aus London an einem Ort, an dem auch wir schon einmal stehen geblieben sind.

Dieses Klavier findet man im Bahnhof von St. Pancras und es ist für jeden frei zugänglich. Zweimal in der Woche kommt Denis Robinson und spielt darauf. Es mache ihm solche Freude, wenn er das Lieblingsstück eines Passanten spielen kann. Einmal sei eine Frau zu ihm getreten und habe ein Lied aus „Cats“ gesungen, zu dem er sie begleitete. Es stellte sich heraus, dass es Ceili O’Connor war, einer der Stars aus diesem Musical.

Ein anderes Mal spielte er ein Kirchenlied für einen Mann aus Derby. Es war auf den Tag genau vor fünfzig Jahren bei dessen Hochzeit gespielt worden, und der Mann war so dankbar. „Niemand spielt hier Kirchenlieder,“ sagt Dennis“, „nur ich manchmal“.

Auf jeden Fall sieht er noch einige weitere Jahre vor sich, die er auf diesen Bahnhof kommen will. Das verdanke er dem Klavierspiel, der Lebensfreude und einem gelegentlichen Brandy.

Zum BBC-Video (mit Untertiteln)

Habt ihr auch ein Rezept, um euer Leben ein bisschen lebenswerter zu machen?